Sandra Fritz: "Mit Fußball groß geworden"

Der 31. Oktober 1970 markiert einen Meilenstein in der Geschichte des deutschen Frauenfußballs – er wurde an diesem Tag vom Deutsche Fußball-Bund (DFB) offiziell in seine Satzung aufgenommen. Seitdem sind bald 50 Jahre vergangen. Fünf Jahrzehnte, in denen viele Persönlichkeiten den Weg bereitet haben. Sie haben gestaltet, motiviert und inspiriert – damals wie heute. 50 Jahre, 50 Gesichter: In der großen Serie zum Jubiläum rückt FUSSBALL.DE Persönlichkeiten aus dem Frauenfußball in den Fokus. Mit dabei ist auch Sandra Fritz, stellvertretende Geschäftsführerin beim Fußball-Verband Mittelrhein und seit Jahren mit dem FVM maßgeblich am Erfolg des DFB-Pokalfinales der Frauen beteiligt

Sandra Fritz: "Mit Fußball groß geworden"

Sandra Fritz hat eine ganz besondere Beziehung zum Frauenfußball. Nicht nur, weil der Fußball ihre Leidenschaft ist und weil sie mit ihm groß geworden ist. Sie hat sogar am gleichen Tag Geburtstag, wie der Frauenfußball in Deutschland – nämlich am 31. Oktober. Natürlich ist das ein Zufall, aber irgendwie passt es auch zum Leben von Sandra Fritz.

"Als ich geboren wurde, ist der offizielle Frauenfußball in Deutschland 16 Jahre alt geworden“, sagt Fritz. "Schon als Kind habe ich ein großes Interesse am Fußballspielen entwickelt. Zum Glück hatten schon viele andere wichtige Persönlichkeiten Pionierarbeit betrieben. Für mich als kleines Mädchen war es überhaupt kein Problem, im Verein kicken zu können." Fritz hat mehrere Jahre in der Hessenliga gespielt, war in der Verbandsauswahl. Sie war besser als viele andere. Für die Bundesliga hat es dann aber doch nicht ganz gereicht. Dafür hat es auf einer anderen Ebene ziemlich schnell und ziemlich weit nach oben gebracht.

Während ihres Studiums der Sport- und Erziehungswissenschaften absolvierte sie 2008 ein Praktikum beim Deutschen Fußball-Bund. Natürlich in der Direktion für Frauen- und Mädchenfußball. Heute, nicht mal zwölf Jahre später, ist die 33-Jährige stellvertretende Geschäftsführerin des Fußball-Verbandes Mittelrhein. Und ist mit ihrem Verband ein wichtiger Partner für das DFB-Pokalfinale der Frauen, das seit nunmehr zehn Jahren in Köln stattfindet. Fritz verantwortet die zahlreichen Mädchenfußballturniere, die auf den Vorwiesen stattfinden, dieses Jahr aber aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Der VfL Wolfsburg empfängt die SGS Essen am Samstag (ab 16.45 Uhr, live in der ARD) ohne Zuschauerinnen und Zuschauer.

"Ich freue mich darüber, wie es gekommen ist", sagt Fritz. "Ich habe das Glück, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte." Die Fußballerinnen am Mittelrhein haben mit ihr eine engagierte Mitstreiterin auf Verbandsebene: "Der Frauen- und Mädchenfußball liegt mir dabei besonders am Herzen. Unser Ansporn ist es, beim FVM für optimale Voraussetzungen zu sorgen. Auch Frauen und Mädchen sind längst vollwertiges Mitglied der Fußballfamilie in Deutschland." Der Grundstein dafür wurde vor genau 50 Jahren gelegt, auf dem DFB-Bundestag 1970. Als sie selbst noch nicht mal geboren war.

Fritz ist ihren Weg nach oben konsequent gegangen. Neben ihrem Studium hat sie nicht nur beim DFB als studentische Aushilfe gearbeitet, sondern auch beim Hessischen Fußball-Verband einen Mini-Job ausgeübt. Im Dezember 2011, vier Wochen nach Abschluss ihres Studiums, hat sie beim Fußball-Verband Mittelrhein begonnen, zunächst verantwortlich für das Programm "NRW bewegt seine Kinder". Ab 2013 war sie als Jugendbildungsreferentin für den Verband tätig. Seit Juni 2020 verantwortet Fritz nunmehr als Referentin für Fußball- und Vereinsentwicklung die Bereiche Ehrenamt, Qualifizierung sowie Freizeit- und Breitsport. Zudem hat sie die Funktion der stellvertretenden Geschäftsführerin übernommen.

"Ich bin mit Fußball groß geworden"

"Bei der Auswahl unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielt nicht das Geschlecht eine Rolle, sondern die Qualität", sagt Dirk Brennecke, Geschäftsführer des FVM. "Sandra Fritz ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Sie hat immer über den Tellerrand hinausgeschaut und sich in vielfältiger Weise weitergebildet. Ihr Weg in unserem Verband ist vorbildlich."

Beim FVM sind mehrere Frauen in verantwortungsvoller Position tätig: Johanna Sandvoß beispielsweise ist Vizepräsidentin, Doris Mager ist seit 2019 Kreisvorsitzende in Euskirchen und damit die erste Frau in dieser Position im FVM, vier von neun Referenten in der Geschäftsstelle sind weiblich. "Für uns ist es selbstverständlich, dass bei uns Frauen in wichtigen Positionen tätig sind. Sie bringen nochmal eine ganz andere Sichtweise in bestimmte Themen", sagt Brennecke.

Fritz hatte schon früh erste Berührungspunkte mit dem Fußball. So kickte sie bereits in der Grundschule regelmäßig auf dem Schulhof. "Ich bin mit dem Fußball groß geworden", sagt sie. Als ihr jüngerer Bruder begann, aktiv Fußball zu spielen, dauerte es nicht lange, bis auch sie das erste Mal die Fußballschuhe im Verein schnürte. Mit neun Jahren ist sie in den Verein gekommen. Fünf Jahre hat sie ausschließlich mit Jungs gekickt. Danach wechselte sie in eine Mädchenmannschaft und spielte später in verschiedenen Frauenmannschaften.

Mit 21 kam der Kreuzbandriss, der sie hart getroffen hat: "In dieser Zeit hat mir der Fußball extrem gefehlt. Ich habe meinen Fokus dann verstärkt auf das Traineramt gelegt, damit ich meinem Hobby weiter treu bleiben konnte." Fritz erwarb die DFB-Elite-Jugendlizenz und gab ihr Wissen an verschiedene Mannschaften weiter, unter anderem coachte sie eine Mädchen-Regionalauswahl, fungierte als Co-Trainerin bei Verbandsmaßnahmen. Zudem leitete sie verschiedene Mädchenfußball-AGs.

Heute hat sie dazu keine Zeit mehr. Aber sie hat nicht vergessen, was für die Arbeit an der Basis wichtig ist. Beispielsweise gibt es seit längerem vor allem im Mädchen- und Juniorinnenfußball das sogenannte Drop-Out-Problem. Das bedeutet, dass 33 Prozent der Vereine auf DFB-Ebene eine Mädchen- bzw. Juniorinnenmannschaft vom Spielbetrieb abmelden mussten. Beim FVM sind die Zahlen ähnlich. Besonders der Übergang von den C- zu den B-Juniorinnen gestaltet sich als schwierig.

"In diesem Alter verlieren viele Mädchen die Lust am Fußball und suchen sich ein anderes Hobby", sagt Fritz. Statistiken zeigen, dass viele Spielerinnen den Hauptbeweggrund in der Beendigung ihrer sportlichen Aktivität im direkten Einflussbereich des Trainers sehen. Überspitzt formuliert: Sie verlieren den Spaß am Fußball, weil das Training eintönig ist, weil die Ansprache nicht passt oder weil ihre Interessen so nicht mehr abgebildet werden.

Mentoringprogramm zur neuen Saison

Fritz entwickelte daher federführend mit ihren Kolleginnen und Kollegen beim FVM ein Mentoringprogramm, das zur neuen Saison aus der Theorie in die Praxis überführt werden soll. Die Idee dahinter sieht so aus: Qualifizierte FVM-Mentorinnen und Mentoren fahren zu ausgewählten Vereinen, die sich dafür bewerben können, und unterstützen den Trainer bzw. die Trainerin der Mädchenmannschaft über sechs bis acht Wochen direkt vor Ort – natürlich unter Beachtung der pädagogischen und psychologischen Besonderheiten im Mädchenfußball.

"Uns ist dabei ganz wichtig, dass die Mentorinnen und Mentoren nicht auf dem Platz stehen und Muster-Einheiten leiten“, sagt Fritz. "Vielmehr sollen sie mit den zuständigen Vereinscoaches Konzepte und Strategien entwickeln, wie das Training langfristig optimiert werden kann. Die Mentorinnen und Mentoren sollen also verstärkt eine beratende Rolle einnehmen."

Die Mentorinnen und Mentoren verfügen mindestens über eine B-Trainer-Lizenz und zudem über ein großes Know-How im Mädchenfußball. Insgesamt sieben Mentorinnen und Mentoren hat der FVM bereits ausgewählt. Mit dabei sind unter anderem DFB-Stützpunkttrainer sowie Coaches der FVM-Mädchenförderzentren. Zu ihren Aufgaben gehören Reflexionen der Trainings- und Spieleinheiten mit den Verantwortlichen vor Ort, Feedbackgespräche bezüglich des Trainerverhaltens und Vermittlung von Qualifizierungsangeboten. In verschiedenen Schulungsveranstaltungen werden auch die Mentorinnen und Mentoren gecoacht und auf ihre Einsätze vorbereitet.

Das Ziel des FVM ist es, dass jährlich mindestens zehn Prozent der Vereine diese Unterstützung erhalten, die Mädchenmannschaften im Spielbetrieb haben. "Wir versprechen uns sehr viel von diesem Projekt", betont Fritz. "Denn wir sind davon überzeugt, dass wir direkt an der Basis ansetzen müssen. Wenn es uns gelingt, die Arbeit der sehr engagierten Trainerinnen und Trainer weiter zu optimieren und ihnen neue Wege der Trainingsgestaltung zu zeigen, können wir den Drop-Out-Trend vielleicht reduzieren." Der Kick-off des Projekts soll in 2020 erfolgen – vor dem Hintergrund des 50-jährigen Frauenfußball-Jubiläums in Deutschland. 

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