Schiedsrichter-Lehrwarte und Vorsitzende der Kreisschiedsrichterausschüsse aus allen Kreisen kamen am vergangenen Wochenende nach Hennef und erarbeiteten in einem Workshop Wege zur Gewaltprävention und Deeskalation.
Der Titel klang durchaus provokativ. „Schiri, wir sehen uns nach dem Spiel“ hieß die Fortbildung des Fußball-Verbandes Mittelrhein, zu der Schiedsrichterlehrwarte und Vorsitzende der Kreisschiedsrichterausschüsse für einen Tag nach Hennef gekommen waren.
Doch diese Überschrift konfrontierte die Teilnehmer ohne Umschweife gedanklich mit jenen Situationen, in die Amateurschiedsrichter überall in der Republik immer wieder geraten: Sie sehen sich Aggressionen, Beleidigungen, Drohungen und sogar körperlicher Gewalt gegenüber, ausgelöst von Spielern, Trainern und Zuschauern - also jenen Menschen, deren Leidenschaft für den Fußball sie eigentlich teilen, begleiten und ermöglichen. Auch wenn Schiedsrichter nicht dafür verantwortlich sind, dass andere immer wieder die Grenzen des Fair Play überschreiten und einen eigentlich selbstverständlichen respektvollen Umgang vermissen lassen, müssen sie mit diesen Situationen umgehen, sie meistern. „Der beste Weg besteht selbstverständlich darin, Gewalt vorzubeugen“, sagt FVM-Vizepräsidentin Johanna Sandvoß. Um dies zu erreichen, müsse man den Frauen, Männern und Jugendlichen, die Woche für Woche als Unparteiische auf den Plätzen unterwegs seien, ein möglichst umfassendes Rüstzeug mitgeben, betont sie.
Die Fortbildung durch die Agentur „millimetertraining“ half den Teilnehmern, leichtere Wege zur Gewaltprävention und Deeskalation zu finden. Die Erkenntnisse des Seminars werden in ein Konzept einfließen und letztlich durch die Schiedsrichterlehrwarte in allen neun Kreisen des FVM verbreitet. Peter Oprei, Vorsitzender des Verbandsschiedsrichterausschusses, verspricht sich einen Multiplikatoreffekt, der dafür sorgt, dass die Tipps und Hinweise, die in den acht Stunden in der Sportschule erarbeitet wurden, letztlich bei allen Schiedsrichtern ankommen. „Am Ende geht es darum, dass sich auf den Fußballplätzen etwas ändert. Die Schiedsrichter haben jede Art von Unterstützung verdient“, sagt Oprei, der die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Philipp Theobald, Referent für Integration im FVM, organisierte.
Für Cem Sayilgan stand bereits vor dem Tag in Hennef fest, dass es als Unparteiischer nicht nur fundierte Regelkenntnisse braucht, sondern auch die Haltung stimmen muss, damit alle Beteiligten die Sportanlage ohne Stress, Angst und Beleidigungen verlassen können. Der Vorsitzende des Kreisschiedsrichterausschusses im Fußballkreis Berg sagt: „Selbstverständlich hatte ich auch vor dem Workshop schon Erfahrung und ein Gefühl für heikle Situationen auf dem Platz, aber hier haben wir alle nochmal unser Verhalten hinterfragt und neue Impulse erhalten.
Während der Fortbildung waren Offenheit, Neugier und Mut gefragt. In interaktiven Elementen wie Rollenspielen und Diskussionen und in Vorträgen wurde über Werkzeuge der Deeskalation gesprochen, über Einsatz und Wirkung von Körpersprache und Strategien der Kommunikation in emotionsgeladenen Situationen. Die Workshopleiter Catrin Wagner und Thomas Henckes erläuterten, dass es Pre-Incident-Indicators, sogenannte PINS, gibt. Also Vorboten von Aggression und Gewalt. „Es wird zum Beispiel häufiger reklamiert“, sagt Henckes. Wenn sich die Situation weiter zuspitze, erhöhe sich bei den Beteiligten zumeist die Atemfrequenz, die Wortwahl werde unkontrollierter, mancher bekomme einen roten Kopf. Wer auf diese Signale achte, habe die Möglichkeit, rechtzeitig gegenzusteuern, zu deeskalieren, sagt Wagner. Wenn die Aggression überhandnehme und sich der Gegenüberstehende bereits im „Tunnel“ befinde, gelte es, ruhig zu bleiben, um die Kommunikation zu lenken und die Situation wieder zu lösen. Dabei komme es meist weniger auf die richtigen Worte an, vielmehr seien Mimik, Gestik und Tonlage dann die bestimmenden Faktoren. „Wir haben beispielsweise erfahren, dass man sich nicht frontal zu seinem Gegenüber hinstellen, sondern einen seitlichen Stand einnehmen soll“, sagt Dominik Mynarek, so stehe man sicherer und wirke nicht zu offensiv oder gar herausfordernd. Der 19-Jährige, der sich als Schiedsrichter-Lehrwart im Kreis Düren engagiert, steht auch als Unparteiischer regelmäßig auf dem Platz. „In jüngerem Alter muss man sich durch ein souveränes Auftreten und klare Anweisungen Respekt verschaffen“, meint er. Seines Erachtens bot der Workshop eine gute Gelegenheit, Handeln und Haltung zu hinterfragen. „Es gibt einfach viele Kleinigkeiten, auf die man achten sollte“, sagt er. Wenn man sich diese immer wieder vergegenwärtige, würde man auch in den brenzligen Situationen eher bestehen. Damit könne man Gewalt in körperlicher und verbaler Form verhindern und einen Beitrag zu einem respektvollen, fairen Miteinander auf dem Platz leisten.